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Das Paradox der Auswahl und die Anzahl der Konzepte

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Das Paradox der Auswahl geht auf ein Buch des Psychologen Barry Schwartz zurück, das auf Deutsch unter dem albernen Titel Anleitung zur Unzufriedenheit: Warum weniger glücklicher macht erschien. Darin argumentiert Schwartz, dass die Verringerung von Entscheidungen erheblich zur Beseitigung von Verbraucherängsten beitrage. Selbstbestimmung und die Freiheit der Wahl seien entscheidend für Wohlstand, während die Auswahl entscheidend für Freiheit und Selbstbestimmung seien. Obwohl wir mehr Auswahl haben als je zuvor, bringt sie uns keinerlei psychischen Gewinn.

Die Entscheidungsfindung über den Weg der Zielsetzung geht einher mit der Frage »Was will ich?« und man orientiert sich am erwarteten Nutzen. Hat man erst einmal eine entsprechende Erfahrung gemacht – bspw. beim Besuch eines Restaurants –, orientiert sich die Auswahl am erinnerten Angebot. Zu sagen, man wisse genau, was man wolle, bedeute also eine Übereinstimmung dieser beiden Kriterien.

Auch der mit dem Nobelpreis geehrte Psychologe Daniel Kahneman und Kollegen haben gezeigt, dass das, was wir über eine angenehme Qualität erinnern, fast vollständig durch zwei Dinge bestimmt wird: nämlich wie sich die Erfahrung anfühlte, als sie ihren Höhepunkt erreichte (unabhängig davon, ob am schlimmsten oder am besten), und wie sie sich am Ende anfühlte.
 

 

Das Paradox der Auswahl und das Hicksche Gesetz

 
Natürlich bestehen unsere Auswahlstrategien aus mehreren Schritten, auf die ich hier – ebenso wie auf die Frage, weshalb wir am Überangebot leiden – nicht näher eingehen will. Interessierten empfehle ich den Artikel The Paradox of Choice: Why More Is Less in der englischsprachigen Wikipedia zu lesen.

Ich glaube aber, im Auswahl-Paradox [PDF] einen Zusammenhang zum Hick-Hyman-Gesetz zu erkennen. Im Kern besagt das Hicksche Gesetz, dass die Zeit bis zur Entscheidungsfindung zunimmt, je mehr Alternativen zur Auswahl stehen. Es bezieht sich allerdings nur auf einfache Entscheidungen, bei denen es für jeden Reiz nur eine Option gibt. Komplexere Problemlösungen, für die mehrere Optionen gesondert beurteilt werden müssen, nehmen stets mehr Zeit in Anspruch.

Berücksichtigen Designer das Hicksche Gesetz und machen sich mit der Problematik hinter dem Paradox der Auswahl vertraut, können sie die Effizienz eines Designs verbessern. Vor allem bei Designs, die Entscheidungen innerhalb kurzer Zeit ermöglichen sollen – Steuerungssysteme, Leitsysteme, Hinweisschilder, Not-Alarm-Systeme –, ist die Anzahl der Optionen auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß zu reduzieren.
 

© Foto: Domenico Gelermo | iStockphoto

© Foto: Domenico Gelermo | iStockphoto


 

Wie viele Konzepte sollte man seinen Kunden präsentieren?

 
Eine ähnlich gelagerte Frage, die im Grunde aber den gleichen Zusammenhang berührt, bezieht sich darauf, wie viele Konzepte ein Designer seinen Kunden präsentieren sollte. Jedem ist entweder aus eigener Erfahrung als Auftraggeber oder aber wenigstens vom Hörensagen bekannt, dass bis zu drei Konzepte präsentiert werden. Weshalb aber drei, und nicht fünf oder nur eines?

Ich denke, in erster Linie hängt die Anzahl der zu präsentierenden Konzepte vom Verhältnis zwischen dem Designer und seinem Kunde ab. Kennt der Designer seinen Kunden gut genug und genießt dessen Vertrauen – sei es aus langjähriger Zusammenarbeit und/oder klugem Hinterfragen der Kundenwünsche –, kann ein einziges Konzept völlig ausreichend sein. Der Designer findet aus seiner Erfahrung heraus und den Anforderungen des konkreten Auftrags folgend eine Antwort auf die Wünsche und Vorstellungen des Kunden. Man könnte auch sagen, das Design entsteht in einer an Zusammenarbeit grenzenden, vertrauensbasierten Konversation.

Das komplementäre Extrem wäre sozusagen, so viele Ideen wie möglich zu präsentieren. Was allerdings unklug ist, da es die Unsicherheit des Designers in Bezug auf das zu entwickelnde Design offenbart. Dahinter verbirgt sich dann entweder mangelnde Erfahrung, ungenügende Kommunikation oder ein begrenztes Verständnis für die Aufgabe.

Die Angst, sich für das Falsche zu entscheiden

 
Ganz davon abgesehen überfordert es den Kunden, mit allen möglichen Konzepten konfrontiert zu werden. Schließlich ist Design im Kern immer Problemlösung, und eine verwirrende Fülle von Ideen sieht nun mal nicht nach einem gelösten Problem aus. Das Paradox der Auswahl löst beim Kunden Ängste aus, sich für das Falsche zu entscheiden, und er fühlt sich mit seiner Entscheidungsfindung allein gelassen.

Da gute Konzepte nicht vom Himmel fallen und echte Genies eher selten anzutreffen sind, macht es Sinn, in der Anfangsphase so viele Ideen wie möglich zu sammeln, um das Problem einzukreisen. Letztlich nähert man sich aber mit so wenigen klaren Vorstellungen für die Problemlösung wie möglich. Jede einzelne davon sollte im Sinne der gestellten Aufgabe funktionieren und für sich sprechen.

Es gibt keine feststehende Regelung, wonach der Designer seinem Kunden unbedingt drei Konzepte präsentieren muss. Aber drei ist eine gute Anzahl, um beispielsweise ein vom Designer präferiertes Konzept, einen Gegenentwurf und eine neutrale Alternative mit völlig anderem Ansatz vorzulegen. Letztlich entscheidet der Auftraggeber anhand seiner Vorstellung von Identität innerhalb seiner Kommunikationsstrategie, welches der präsentierten Konzepte bis zur völligen Reife verfeinert wird.

Herzliche Grüße aus Berlin,
Klaus-Dieter Knoll
aka kadekMEDIEN

 


Einsortiert unter:Design, Psychologie Tagged: Design, Grafikdesign, Kommunikation, Kommunikationsdesign

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